Deutscher Gehörlosen-Bund e.V.
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Frauenprojekt

22. Dezember 2014 | Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen im Leben gehörloser Frauen Ursachen, Risikofaktoren und Prävention

Bericht zum Projekt mit Gebärdensprachvideos (Videos siehe ganz unten):

Hintergrund des Projektes sind die Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen im Leben gehörloser Frauen, die sich in vielerlei Hinsicht deutlich von denen normalhörender Frauen und Frauen mit anderen Behinderungen und Beeinträchtigungen unterscheiden. Das belegen Daten der jüngst erhobenen Studie zur Lebenssituation von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen (BMFSFJ 2012/2013). Sie zeigen nicht nur, dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen in auffälliger, teilweise erschreckender Weise und deutlich häufiger als Frauen ohne Behinderungen von Gewalterfahrungen betroffen sind, sondern auch, dass gehörlose Frauen bei allen Formen von Gewalterfahrungen hohe, oft sogar höchste Betroffenheiten aufweisen.

Besorgniserregend sind sowohl die Zahlen, die Erfahrungen körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt im Erwachsenenleben belegen, als auch die Befragungsergebnisse, die auf ein Erleben von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend im Umfeld von Schulen und Betreuungseinrichtungen hinweisen. In Bezug auf sexuellen Missbrauch stellen gehörlose Frauen mit 52% die am höchsten betroffene Untersuchungsgruppe der BMFSFJ-Studie dar (BMFSFJ 2012: 21). Diskriminierung und Gewalt gegen gehörlose Frauen findet in vielen Fällen auch im sprachlich-kommunikativen Bereich statt. Ein Großteil der gehörlosen und hochgradig hörbehinderten Frauen hat aufgrund einer Schulbildung ohne Gebärdensprache ein erhebliches Sprachdefizit, welches Zugänge zu Aufklärung, Information und Beratung erschwert. Auch sind dadurch die Möglichkeiten zur verbalen Selbstverteidigung deutlich geringer. Beratungsangebote und Anlaufstellen für Frauen in schwierigen Lebenslagen bleiben von daher oft ungenutzt, weil sie von gehörlosen Frauen gar nicht erst aufgesucht bzw. nicht eingefordert werden können. Der Deutsche Gehörlosen-Bund hat in den letzten Monaten immer wieder verzweifelte Anfragen von gehörlosen Frauen erhalten, die im häuslichen Bereich regelmäßig mit z.T. massiver Gewalt konfrontiert werden. Auch öffentliche Anlaufstellen wie z.B. Jugendämter wenden sich immer wieder an den Deutschen Gehörlosen-Bund, wenn es um Lösungsmöglichkeiten in Bezug auf häusliche Gewalt in gehörlosen Familien geht. Betroffen von häuslicher Gewalt sind hier vor allem die gehörlosen Frauen, oft aber auch deren Kinder. Darüber hinaus konnten im Rahmen der psychosozialen und psychiatrischen Arbeit Tendenzen festgestellt werden, dass vermeintliche „Hilfe“ im Fall von Gewalt gegenüber gehörlosen Frauen nicht greift und zum Teil sogar mit negativen Folgen für die Betroffenen einhergeht, etwa wenn Jugendämter die tatsächliche Gewaltsituation fehlerhaft beurteilen und/oder den Frauen vorschnell mangelnde Erziehungsfähigkeit unterstellen. Hier wären professionelle Unterstützungsangebote erforderlich, die fachlich versiert und inhaltlich informiert auf die spezifische Situation gehörloser Frauen eingehen können. Viele betroffene Frauen haben nicht den Mut, sich im akuten Fall an die Polizei, an ein Frauenhaus oder andere öffentliche Einrichtungen zu wenden. Viele Frauen haben Angst, dass die Polizei oder andere mögliche Ansprechpersonen die Gebärdensprache nicht beherrschen und sie sich mit ihrem Anliegen nicht verständlich machen können. Auch kennen die meisten gehörlosen Frauen weder ihre Rechte, die sie vor Gewalt schützen könnten, noch wissen sie, ob und wo für welche Situationen sie die Übernahme der Kosten für eine Gebärdensprachdolmetscherin beantragen können.

Die zunehmenden Anfragen sowie die Ergebnisse der BMFSFJ-Studie zeigen, dass in Bezug auf das Thema Gewalt bei gehörlosen Frauen aber auch bei (professionellen) Helferinnen und Helfern viel Unwissenheit, Unklarheit und Unsicherheit besteht. Der Bedarf an Beratung in diesem Bereich ist als sehr hoch einzuschätzen. Viele gehörlose Frauen wissen nicht, wie sie sich in akuten Gewaltsituationen verhalten können und sollen, bzw. welche Wege sie einschlagen könnten, um ihrer schwierigen Lebenssituation zu entkommen. Hier sind vor allem auch große sprachliche und kommunikative Hürden zu überwinden. Entsprechende Beratungs- und Betreuungsangebote, an die sich betroffene Frauen unter Zusicherung von Anonymität und mit der Aussicht auf konkrete Unterstützungsmaßnahmen direkt in Deutscher Gebärdensprache wenden können, sind im Bundesgebiet kaum vorhanden. Diese Angebote sollten nicht nur die sprachlich-kommunikativen Hürden gehörloser Frauen kennen, sondern auch deren kulturelle, soziale und psychische Besonderheiten, um die Art und Inhalte der Hilfen bzw. deren Bewertung adäquat entwickeln zu können. Gehörlose Frauen versuchen von daher, über den Deutschen Gehörlosen-Bund Rat und Hilfe einzuholen, oft in der Hoffnung adäquate kompetente Ansprechpersonen genannt zu bekommen, die ihnen in ihrer Situation weiterhelfen können. Der Deutsche Gehörlosen-Bund sieht in Bezug auf die Gewaltbetroffenheit gerade von gehörlosen Frauen dringenden Handlungsbedarf. In Kooperation mit dem Institut für empirische Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg werden folgende Maßnahmen und Aktivitäten vorgeschlagen, die im Rahmen eines Projektes unter der Leitung von Sabine Fries (für den Deutschen Gehörlosenbund) und Dr. Monika Schröttle (IfeS, Nürnberg) durchgeführt wurden. Dieses Projekt soll dazu beitragen, langfristig einen Weg zur einer verbesserten Prävention und Intervention zum Schutz und zur Unterstützung gehörloser Frauen bahnen zu können.


Einleitung


Zugang und Methodik


Zufriedenheit mit verschiedenen Lebensaspekten


Freizeitaktivitäten


Soziale Beziehungen gehörloser Frauen


Fazit


Zusammensetzung des Freundeskreises


Gewalterfahrungen Kindheit und Erwachsenenleben


Gewalt in Kindheit und Jugend durch die Eltern


Körperliche und psychische Gewalt von anderen Seiten


Sexueller Missbrauch


Psychische Gewalt im Erwachsenenleben


Körperliche Übergriffe im Erwachsenenleben


Sexuelle Gewalt im Erwachsenenleben


Täter und Tatorte sexueller Gewalt im Erwachsenenleben


Sexuelle Belästigungen im Erwachsenenleben


Fazit Gewalterfahrungen


Ausblick Unterstützungs- und Handlungsbedarf