Deutscher Gehörlosen-Bund e.V.
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DGB-Pressemitteilung 03/2020

22. April 2020

Berlin, 22.04.2020

Pressemitteilung 03/2020

Das Verwenden von Mund-Nase-Masken ohne und mit Sichtfenster erschwert die Kommunikation zwischen Hörenden und Gehörlosen. Die Möglichkeiten der Kommunikation müssen vielfältiger sein!

Zum Schutz vor einer Infektion durch das Coronavirus machen inzwischen alle Bundesländer das Tragen von Mund-Nase-Masken zur Pflicht, z. B. in Bussen, Bahnen und Geschäften.
Uns haben hierzu viele Presseanfragen erreicht, z. B.: Sind Gehörlose durch Masken benachteiligt, weil sie dann nicht von den Lippen lesen können? Was bedeuten die Masken für die alltägliche Kommunikation von Gehörlosen? Auch fragen immer mehr gehörlose und stark schwerhörige Menschen nach Empfehlungen für Masken, die ihrem Kommunikationsbedürfnis entgegen kommen.

Der Deutsche Gehörlosen-Bund e. V. vertritt vor allem die Interessen der Gehörlosen, d. h. der gebärdensprachigen Menschen mit Hörbehinderung. Die Deutsche Gebärdensprache (DGS) ist seit 2002 als eigenständige und vollwertige Sprache gesetzlich anerkannt.

Das „Lippenlesen“, welches eine Maske mit Sichtfenster ermöglichen sollte, spielt für Gehörlose nur eine stark untergeordnete Rolle. „Lippenlesen“ ist sehr anstrengend und führt häufig zu Missverständnissen, denn selbst unter optimalen Bedingungen sind nur etwa 30 % des Gesprochenen bzw. der Laute anhand der Lippenbewegungen des Sprechers visuell wahrnehmbar – 70 % müssen erraten werden! Viele Mundbewegungen sind sich sehr ähnlich, z. B. „Mutter“ und „Butter“ oder „aus“ und „Haus“. Vor allem in angespannten Situationen (Arztbesuch, Klinikbesuch) ist es unmöglich, allein über das Lippenlesen alles zu verstehen.

In der Praxis haben Masken mit Sichtfenster zudem den Nachteil, dass die Fenster durch die Atemluft schnell beschlagen. Dann ist der Mund ohnehin schlecht zu sehen. Alternativ hierzu werden aktuell auch immer wieder durchsichtige Voll-Gesichtsschutz-Masken angesprochen bzw. von Händlern angeboten. Auch hier ergibt sich ein störendes Beschlagen durch die Atemluft, das die Ablese Qualität deutlich herabsetzt. Mehr noch aber enthalten diese Masken u. a. PVC, das z. B. von den Verbraucherzentralen als gesundheitsschädlich eingestuft wird.

Die Mund-Nase-Masken mit Sichtschutz oder aus komplett durchsichtigem Material werden aus den genannten Gründen vom Deutschen Gehörlosen-Bund nur unter Vorbehalt empfohlen. Die Entscheidung zur Nutzung dieser nur sehr begrenzten Hilfsmittel bleibt letztlich jedem gehörlosen und hörbehinderten Menschen entsprechend seinen individuellen Bedürfnissen selbst überlassen.

Bestehen bleibt die Tatsache, dass die Kommunikation für gehörlose und hörbehinderte Menschen mit einer/m Gesprächspartner/-in, der/die einen durchsichtigen oder undurchsichtigen Mund-Nase-Schutz trägt, stark erschwert ist.

Damit wollen wir aber keineswegs jenen Menschen mit Hörbehinderung widersprechen, die eine Mund-Nase-Maske mit Sichtschutz als hilfreich erachten: In der Gruppe der Menschen mit Hörbehinderung (von leichtgradig schwerhörig bis zu gehörlos) gibt es unterschiedliche, individuelle kommunikative Bedarfe, und manch eine/r profitiert stark vom Mundbild und somit womöglich auch etwas von einer Maske mit Sichtschutz. Wir können daher nur fordern: Es sollte jedes Hilfsmittel, welches Menschen mit einer Hörbehinderung bei der Kommunikation mit ihrem Umfeld unterstützt, aufgegriffen und angewandt werden. Wir vom Deutschen Gehörlosen-Bund e. V. stehen für Bilingualität, d. h. für ein Leben mit Deutscher Gebärdensprache und deutscher Sprache (in Laut- bzw. Schriftsprache). Jeder Weg zu gelingender Kommunikation wird von uns unterstützt.

Auch das Verwenden von Stift und Papier (schriftliche Kommunikation) ist eine hilfreiche und praktische Möglichkeit für die Kommunikation, weiterhin gibt es Spracherkennungsprogramme als App auf dem Smartphone, die im Alltag anwendbar sind (Deutsche Gehörlosenzeitung 04/2019, Seite 28-29 Untertitel zum Mitnehmen - Die Spracherkennung ist im Anmarsch. Aber wie gut funktionieren Smartphone-Apps, die Gespochenes in Text umwandeln? Ein Test.). Alternativ bzw. ergänzend kann bei kurzen Gesprächen das Herunterziehen des Mund-Nase-Schutzes unter Wahrung der Abstands- und Hygieneregeln helfen.

Für essenzielle und (vor allem in Corona-Zeiten lebens-) wichtige Gespräche, etwa mit medizinischem Personal, fordern wir jedoch, dass Dolmetscher/-innen für DGS und Deutsch über den Vermittlungsdienst Tess oder über Videotelefonie bzw. Webcam, mit iPad, Smartphone oder Laptop einbezogen werden. Wenn Ärzte und Ärztinnen sowie Pflegekräfte FFP2- oder FFP3-Masken tragen, stellt sich die Frage des Sichtfensters ohnehin nicht.

Mit einer/m gebärdensprachkompetenten Gesprächspartner/in ist dagegen die Kommunikation in Gebärdensprache auch mit Schutzmaske (mit oder ohne Sichtschutz) weitestgehend möglich, weil die Gebärdensprache aus manuellen Komponenten (Handform, Handstellung, Ausführungsstelle und Bewegung) und nichtmanuellen Komponenten (Mimik, Mundbild, Mundgesten, Kopf- und Oberkörperhaltung, Blickrichtung) besteht. Über eine Distanz von zwei, fünf oder zehn Metern ist die Kommunikation per Gebärdensprache relativ problemlos möglich, selbst durch Glasscheiben oder Fenster.

Die Pressemitteilung 03/2020 in pdf-Datei können Sie herunterladen und gerne weiterleiten.


DGB-Stellungsnahme 04/2020

02. April 2020

Berlin, 02.04.2020

Stellungnahme 04/2020

Bereitstellung von gesundheitsrelevanten Informationen zur Corona-Krise in Gebärdensprache und mit Untertiteln: zum aktuellen Stand

In Bezug auf die Stellungnahme des Deutschen Gehörlosen-Bundes (DGB) vom 06.03.2020 weisen wir auf den aktuellen Stand der Entwicklungen in der Frage der Barrierefreiheit bzw. vollen Zugänglichkeit zu gesundheitlichen Informationen zur Ausbreitung des Coronavirus in Deutscher Gebärdensprache und mit Untertiteln auf Bundesebene hin.

Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, fünf behindertenpolitische Sprecher/-innen der Bundestagsfraktionen, Wilfried Oellers (CDU/CSU), Angelika Glöckner (SPD), Jens Beeck (FDP), Sören Pellmann (DIE LINKE) und Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen), der Deutsche Behindertenrat und die BAG Selbsthilfe unterstützen die DGB-Stellungnahme vom 06.03.2020. Wir bedanken uns bei ihnen allen.

Wir haben fünf Anträge bei der Schlichtungsstelle des Bundes (§ 16 BGG) eingereicht. Der Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein vertritt uns. Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit hat sich mit den Bundesbehörden beraten und eine kurze Handreichung veröffentlicht, die einen schnellen Überblick über barrierefreie Formate und Informationsmöglichkeiten bietet.

Auf Grundlage des Verbots der Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen durch die Träger der öffentlichen Gewalt (§ 7 BGG) haben wir einige Forderungen an das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), das Robert Koch-Institut (RKI), die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK) sowie das Auswärtige Amt (AA) gerichtet. Wir fassen sie hier zu drei Kernforderungen zusammen:

  1. Tagesaktuelle Informationen öffentlicher Stellen des Bundes über das Coronavirus bzw. die Corona-Krise müssen über Videofilme in Deutscher Gebärdensprache (DGS) und mit Untertiteln auf den Websites und in den sozialen Medien zur Verfügung gestellt werden.
  2. Ein simultanes Dolmetschen für DGS und Deutsch/Englisch muss bei der Bundespressekonferenz und bei Pressekonferenzen im Bundeskanzleramt und in den Bundesministerien, besonders im BMG sowie bei nachgeordneten Behörden wie dem RKI, bereitgestellt werden, sofern diese Veranstaltungen live übertragen werden. Die Videos müssen zudem mit Untertiteln versehen werden. Auch die von der Bundeskanzlerin abgegebenen Erklärungen, die sie allein und unabhängig von Pressekonferenzen an die Bevölkerung richtet, müssen simultan und im gleichen Bild gedolmetscht werden, sodass alle Medien, die diese Erklärung verbreiten, damit auch die live gebärdete Übersetzung ausstrahlen.
  3. Direkte Kommunikation und die Erreichbarkeit von Hotlines zum Coronavirus müssen sichergestellt werden (Fax, E-Mail, Telefonnummer des BMG, Notrufnummer 110/112 und die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116117 über Tess oder über Videotelefonie per Webcam mit Dolmetscher/-innen für DGS und Deutsch).

Über die Schlichtungsstelle des Bundes und unseren Rechtsanwalt haben wir Antworten von den Bundesministerien und nachgeordneten Bundesbehörden erhalten und geben dazu unsere Einschätzungen ab:

 
1. Bundesregierung bzw. Bundeskanzleramt unter Bundeskanzlerin Angela Merkel
Der Staatssekretär und Sprecher der Bundesregierung Steffen Seibert hat in einem freundlichen Schreiben betont, dass kein Mensch mit Behinderung von Informationen ausgeschlossen werden dürfe, vor allem wenn sich diese aktuell als lebenswichtig erweisen könnten. Deshalb lege die Bundesregierung besonderen Wert darauf, Informationen auch barrierefrei anzubieten und dieses Angebot Schritt für Schritt auszubauen.
 
Es ist sehr erfreulich, dass seit dem 11.03.2020 insgesamt 18 Videofilme in DGS auf der Website zur Verfügung gestellt werden.
 
Die Ansprache der Bundeskanzlerin vom 18.03.2020 war an alle Bürger/-innen gerichtet. Es waren Dolmetscher/-innen für DGS und Deutsch vor Ort, die diese wichtige Ansprache nicht direkt und simultan übersetzen konnten. Die Ansprache wurde um 19:20 Uhr im ZDF, d. h. im linearen Fernsehen, ausgestrahlt, und zwar ohne Gebärdensprache. Nach der Tagesschau wurde sie um 20:15 Uhr auf Tagesschau24 im linearen Fernsehen übertragen und simultan in Gebärdensprache übersetzt. Nachträglich wurde die Ansprache der Kanzlerin in Gebärdensprache auf der Website der Bundesregierung veröffentlicht. In der ZDF-Mediathek war die Ansprache dann ebenfalls in Gebärdensprache verfügbar.
 
Wir stellen erstens fest, dass drei verschiedene Gebärdensprachdolmetscher/-innen die Ansprache der Bundeskanzlerin dreimal übersetzt haben. Zweitens konnten gehörlose Personen diese Ansprache der Kanzlerin im linearen Programm Tageschau24 erst um 20:15 Uhr ansehen. Zuerst erhielten also hörende Personen Zugang, erst geraume Zeit danach auch gehörlose Personen.
 
Es ist stattdessen klar zu bevorzugen, barrierefreie Formate (Ton, DGS, UT) für eine solche Ansprache vor der Ausstrahlung fertigzustellen und dann live im Fernsehen zu übertragen. So können alle Bürger/-innen die Ansprache in Deutsch, in Gebärdensprache und mit Untertiteln gleichzeitig wahrnehmen.
 
Bis jetzt findet die Pressekonferenz der Bundeskanzlerin noch nicht in Anwesenheit eines Gebärdensprachdolmetschers / einer Gebärdensprachdolmetscherin vor Ort statt.
 
2. Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unter Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
Wir haben ein Antwortschreiben vom BMG erhalten. Es sei dem BMG ein großes Anliegen, die gesamte Bevölkerung mit stets aktuellen Informationen zum Coronavirus zu versorgen. Damit diese Informationen auch jene Menschen erreichen, die auf Gebärdensprache angewiesen sind, stelle das Ministerium bereits zusätzliche Informationen zur Verfügung:
 
Das Gebärdentelefon des BMG gibt jedoch keine Informationen zu Coronavirus, es gibt – wie auch das 115-Gebärdentelefon –nur zu allgemeinen Themen und Leistungen der öffentlichen Verwaltung Auskunft! Die betreibenden Stellen haben zudem nur begrenzte Geschäftszeiten, und entsprechend begrenzt ist auch die Erreichbarkeit. Wir halten diesen Weg für falsch und fordern das BMG dazu auf, eine eigene, tatsächlich auf die Virus-Problematik spezialisierte Corona-Hotline für gehörlose Menschen einzurichten. Dies ist als barrierefreier Zugang zum Versorgungssystem notwendig. Diese Hotline muss bei Verdacht auf eine Infektion einen Videochat in Gebärdensprache ermöglichen, sodass direkt Fragen zum Coronavirus gestellt und die erforderlichen Antworten eingeholt und Hilfen koordiniert werden können.
 
  • Auf seinem YouTube-Kanal stelle das BMG Erklärvideos zu häufigen Fragen rund um das Coronavirus mit Untertiteln zur Verfügung.
Es ist als positiv zu bewerten, dass seit dem 14.03.2020 insgesamt 13 Videofilme in DGS bereitgestellt werden. Es wäre allerdings wünschenswert, wenn diese Videofilme in DGS, wie andere Informationen des Ministeriums auch, auf dessen eigener Website angezeigt würden. So weist auf der Seite selbst nur der an sich mit Corona nicht verbundene Gebärdensprache-Button auf die Corona-Informationen für gehörlose Menschen hin. Ein weiterer Verweis auf die Gebärdensprachvideos findet sich unter „Tagesaktuelle Informationen“. Das Video, zu dem dieser Link führt, enthält jedoch keine tagesaktuelle Information, sondern einen mehrere Wochen alten Film, in dem Bundesgesundheitsminister Spahn „Informationen für das Krankenhauspersonal“ gibt. Dies ist kein inklusiver Ansatz. Inklusion erfordert, dass aktuelle Information des Ministeriums auch für Menschen, die nicht hören können, dort zu finden sind, wo auch hörende Menschen sie finden. Nur so wird gezeigt, dass Menschen, die in Gebärdensprache kommunizieren, genauso behandelt werden wie Menschen, die Lautsprache benutzen. Die Videos nur auf dem „YouTube“-Kanal zu zeigen ermöglicht es Gehörlosen und anderen Menschen mit Hörbehinderung zwar, bestimmte Informationen zu erhalten (deutlich weniger als Menschen, die hören können), allerdings nur auf einer gesonderten Seite.
 
  • Das BMG bemühe sich darüber hinaus, Pressekonferenzen künftig in Gebärdensprache zu übersetzen.
Dieser Satz macht nicht deutlich, ob Pressekonferenzen des BMG und/oder die Bundespressekonferenz in Gebärdensprache simultan in Echtzeit gedolmetscht und dann live im Fernsehen übertragen werden. Wir lehnen eine Nachbearbeitung von Videoaufnahmen und deren zeitverzögerte Ausstrahlung mit DGS generell ab! Alle Menschen – ob gehörlos, mit oder ohne Hörbehinderungen – müssen die Informationen in Deutsch und Gebärdensprache gleichzeitig bekommen.
 
3. Robert Koch-Institut (RKI)
Das RKI hat sich ebenfalls bei uns zurückgemeldet. Es setzt seit dem 17.03.2020 eine Gebärdensprachdolmetscherin bei seinen Pressebriefings ein. Diese Briefings umfassen die tagesaktuellen Informationen, die das RKI der breiten Öffentlichkeit zum Thema bereitstellt. Das RKI verweist auf die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die Gebärdensprachvideos über Informationen zum Thema Coronavirus zur Verfügung stelle.
 
Am 17.03.2020 wurde bei der Pressekonferenz des Robert Koch-Instituts zum ersten Mal mit einer Dolmetscherin für DGS und Deutsch zusammengearbeitet. Einige TV-Sender, zum Beispiel Phoenix, haben diese Pressekonferenz in DGS und mit UT live in Echtzeit ausgestrahlt. Dies halten wir für vorbildlich und es stellt für uns die beste Lösung dar – es ist ein Best-Practice-Beispiel, das unseren Vorstellungen entspricht.
 
Am nächsten Tag (18.03.2020) strahlte Phoenix die Pressekonferenz des RKI wieder in DGS und mit UT aus. Allerdings war das Bild mit DGS ziemlich klein und ganz rechts oben positioniert. Es wäre ideal, wenn das Bild mit DGS etwas größer und ganz links unten platziert wäre.
 
 
Bis jetzt hat das RKI insgesamt sechs Pressekonferenzen in Anwesenheit einer Gebärdensprachdolmetscherin durchgeführt. Das ist sehr positiv!
 
4. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Die BZgA hat uns geantwortet und sieben Videofilme in DGS zum Coronavirus auf einmal am gleichen Tag (18.03.2020) auf ihrem YouTube-Kanal zur Verfügung gestellt. Später hat sie diese Videofilme deaktiviert, weil durch die sich schnell verändernde Sachlage einzelne Aussagen nicht mehr stimmten. Die BZgA, so heißt es im Schreiben, arbeite unter Hochdruck an einer neuen Ausgabe und benachrichtige uns, sobald die Aktualisierung vorliege.
 
Wir halten dies weder für nachvollziehbar noch für akzeptabel. Um überhaupt Informationen für gehörlose Menschen vorzuhalten, sollten unserer Auffassung nach, diese Videofilme so lange verfügbar sein, bis neue zur Verfügung stehen. Seitdem sind viele Tage vergangen und die angekündigte neue Ausgabe in DGS ist immer noch nicht vorhanden.
 
5. Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)
Der Präsident des BBK Christoph Unger hat zu dem geschilderten Sachverhalt Stellung bezogen. Es seien ja bereits zwei Videos in DGS auf der Website des BBK vorhanden: eines über die Aufgaben des BBK und eines mit Informationen und Hinweisen zur Navigation. Diese Antwort verfehlt das Thema und ignoriert unsere Belange. Denn unser ausdrückliches Interesse ist es, Zugang zu Videos in DGS über aktuelle Informationen zum Thema Coronavirus auf der Website des BBK zu bekommen.
 
Das BBK plane, den Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen (68 Seiten) in Deutsche Gebärdensprache übersetzen zu lassen und auf der BBK-Website zu veröffentlichen. Das wird allerdings unseren gegenwärtigen Forderungen nicht gerecht. Alle aktuellen Meldungen und Pressemitteilungen aus dem BBK , z. B. „Covid-19: Handlungsempfehlungen Betreiber KRITIS“ (31.03.2020) müssen unseres Erachtens zeitnah in DGS übersetzt werden.
 
6. Auswärtiges Amt (AA)
Das Auswärtige Amt hat uns per Mail geschrieben. Es sei sehr problematisch und nicht realisierbar, die aktuellen Reise- und Sicherheitshinweise zu den einzelnen Ländern in DGS bereitzustellen, weil sie sehr häufig aktualisiert bzw. geändert würden.
 
Wir halten die Auskunft, dass die bereitgestellten Informationen zum Coronavirus für Reisende auf der Website des Auswärtigen Amtes nur in deutscher Schrift- und Lautsprache zur Verfügung gestellt werden sollen, für inakzeptabel. Von reise- und sicherheitsrelevanten aktuellen Informationen sehen sich gehörlose und andere Menschen mit Hörbehinderungen damit komplett ausgeschlossen. Das ist eine Ungleichbehandlung und Diskriminierung, und wir sehen unserer Recht auf Gleichbehandlung (§ 7 BGG) verletzt.
 
Weiterhin haben wir eine Überblicksliste über die Bereitstellung von gesundheitsrelevanten Informationen zur Corona-Krise in Deutscher Gebärdensprache und mit Untertiteln im Medienbereich auf der Bundesebene entwickelt zum besseren Verständnis.
 
 
Am 18.03.2020 haben der Weltverband der Gehörlosen (WFD) und der Weltverband der Gebärdensprachdolmetscher/-innen (WASLI) Leitlinien zur Bereitstellung des Zugangs zu Informationen zur öffentlichen Gesundheit in nationalen Gebärdensprachen während der Coronavirus-Pandemie veröffentlicht. Wir unterstützen diese Leitlinien und die Richtlinien für die Positionierung von Gebärdensprachdolmetschern in Konferenzen, einschließlich Web-Streaming von der AICC uneingeschränkt und halten sie für sehr empfehlenswert, um Barrierefreiheit in nationalen Gebärdensprachen umzusetzen. Eine deutsche Übersetzung dieser Leitlinien stellen wir auf unserer Homepage bereit.
 
Der Europäische Gehörlosenverband (EUD) hat in der Europäischen Union, in Island, Norwegen, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich Informationen über die Zugänglichkeit von Informationen in nationalen Gebärdensprachen in Bezug auf das Coronavirus gesammelt und auf seiner Website veröffentlicht.
 
Fast 30.000 Personen haben die am 14.03.2020 ins Leben gerufene Petition „Corona-Infos auch in Gebärdensprache für Gehörlose“ von Katja Fischer, Sabine Heinecke und Julia Probst bereits unterschrieben. Wir haben diese Aktion von Anfang an als Kooperationspartner unterstützt und bitten Sie, diese wichtige Petition zu unterschreiben und an Freunde, Bekannte und Familienmitglieder weiterzuleiten.
 
Fast jeden Tag aktualisieren wir die Sammlung bzw. Auflistung der Informationsfilme mit Deutscher Gebärdensprache, Pressemitteilungen, Stellungnahmen etc. zum Thema Coronavirus auf unserer Homepage unter www.gehoerlosen-bund.de/coronavirus.
 
Wir von unserem Team veröffentlichen alle zwei bis drei Tage einen Film über unsere Arbeiten. Wir wollen den Zusammenhalt in der Gebärdensprach-/Gehörlosengemeinschaft in diesen ernsten Zeiten bewahren und das Zusammengehörigkeitsgefühl weiter stärken.
 
Über die erreichten Verbesserungen im Medienbereich hinaus halten wir Folgendes für ganz dringend geboten: Die Zugänglichkeit von Informationen in Gebärdensprache muss in allen Bereichen (Medien, Gesundheit, Senioren, Arbeit, Bildung usw.) weiter ausgebaut werden, damit Gehörlose während der Corona-Krise (und auch danach) gleich behandelt werden, wie es das Benachteiligungsverbot besagt.
 
Die Stellungsnahme 04/2020 in pdf-Datei können Sie herunterladen und gerne weiterleiten.

DGB-Stellungsnahme 03/2020

06. März 2020

Berlin, 06.03.2020

Stellungnahme 03/2020

Fehlender Zugang zu gesundheitlichen Informationen über das Coronavirus in Gebärdensprache und mit Untertiteln

Viele Gehörlose und andere Menschen mit Hörbehinderungen sind derzeit wegen des Coronavirus besorgt und verunsichert. Sie stoßen durchgehend auf Barrieren, angefangen bei der Ansteckung. Ganz nach dem Vorbild der Ansteckungskette handelt es sich um eine regelrechte Barrierekette! Ein Videofilm des Vereins „Gemeinschaft, Inklusion, Bildung sind da“ (GIBDA e. V.) gibt dem Protest Ausdruck. Der Film mit dem Titel „Coronavirus – Risiken durch Ignoranz in punkto Aufklärung in Gebärdensprache“ in Deutscher Gebärdensprache und mit Ton und Untertiteln findet weite Verbreitung.

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat auf seiner Website über das Coronavirus informiert und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat am 04.03.2020 eine Regierungserklärung zur Bekämpfung des Coronavirus abgegeben. Das Robert-Koch-Institut (RKI) klärt auf seiner Website ausführlich über COVID-19 auf. Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat Antworten auf häufig gestellte Fragen zum neuartigen Coronavirus auf ihrer Website veröffentlicht. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat auf seiner Website den „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“ veröffentlicht. Das Auswärtige Amt (AA) stellt auf seiner Website Informationen über das Coronavirus für Reisende bereit.

All diese sehr wesentlichen Gesundheitsinformationen sind jedoch nur in deutscher Schriftsprache und deutscher Lautsprache verfügbar. Sie sind nicht barrierefrei bzw. für Gehörlose und andere Menschen mit Hörbehinderungen nicht zugänglich, da die deutsche Schrift- und Lautsprache für sie eine Fremdsprache ist. Dies widerspricht der Notwendigkeit, dass sie in der Lage sein müssen, rechtzeitig zugängliche Informationen in Deutscher Gebärdensprache, ihrer Muttersprache, und mit Untertiteln zu erhalten, um bestmöglich für die eigene Gesundheit zu sorgen und die Ausbreitung von Infektionen zu minimieren.

Durch das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0), die EU-Richtlinie 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Webseiten und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen und durch die Artikel 8, 9, 11, 21 und 25 der UN-Behindertenrechtskonvention hat Deutschland sich verpflichtet, die Zugänglichkeit zu gesundheitlich relevanten Informationen in Deutscher Gebärdensprache und mit Untertiteln sicherzustellen. Alle fünf Bundesbehörden (BMG, RKI, BZgA, BBK und AA) dürfen laut BGG nicht benachteiligen bzw. diskriminieren. Dies tun sie jedoch in unserem aktuellen Fall. Sie müssen sich umgehend mit der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit in Verbindung setzen und für Abhilfe sorgen.

Andere Länder, z. B. Italien, Österreich und die USA haben bereits umgesetzt, dass Gebärdensprachdolmetscher/-innen vor Ort bei Pressekonferenzen eingesetzt und live im Fernsehen bzw. Internet übertragen werden. Das sind vorbildhafte Beispiele.

Daher appelliert der Deutsche Gehörlosen-Bund an alle öffentlichen Stellen des Bundes, alle lebenswichtigen Informationen in Deutscher Gebärdensprache und mit Untertiteln auf den Webseiten sowie über die sozialen Medienkanäle (Facebook, Twitter, Instagram) zur Verfügung zu stellen und alle übertragenen öffentlichen Ankündigungen, z. B. Pressekonferenzen, mit Live-Untertiteln zu versehen. Diese Informationen müssen zudem von qualifizierten Gebärdensprachdolmetscher/-innen vor Ort bereitgestellt werden.

Wir haben fünf Bundesbehörden in den letzten Tagen bereits angerufen und kontaktiert, doch stehen die konkreten Antworten zugunsten der besorgten gehörlosen Mitbürger/-innen bisher noch aus. Mit dieser Stellungnahme möchten wir auf unsere verbrieften Rechte hinweisen. Ansonsten sehen wir uns gezwungen, Anträge auf die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens bei der Schlichtungsstelle nach § 16 des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (BGG) einzureichen, um weitere Abhilfe zu erreichen.

Die Stellungsnahme 03/2020 in pdf-Datei können Sie herunterladen und gerne weiterleiten.